P|S Porbatzki & Stocker Standpunkte
Netzentgeltreform – im Interesse einer zukunftsfähigen Netzinfrastruktur

Die Energiewende stellt die Netzinfrastruktur vor enorme Herausforderungen. Der steigende Anteil erneuerbarer Energien, die zunehmende Dezentralisierung der Erzeugung und neue Verbrauchsmuster durch Elektromobilität oder Wärmepumpen verändern die Anforderungen an das Stromnetz grundlegend. In diesem Kontext ist die Reform der Netzentgelte nicht nur überfällig, sondern auch entscheidend für den Erfolg des Transformationsprozesses.
Als unabhängige Berater, die mit Netzbetreibern und regulatorischen Akteuren arbeiten, sehen wir einen klaren Handlungsbedarf: Die Netzentgeltstruktur muss reformiert werden – transparent, verursachungsgerecht und zukunftsgerichtet. Gleichzeitig braucht es einen realistischen Blick auf die wirtschaftlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen der Netzbetreiber, die im Zentrum dieser Transformation stehen.
1. Investitionen müssen langfristig abgesichert werden
Netzbetreiber sind mit einem massiven Ausbau- und Modernisierungsbedarf konfrontiert. Neue Verbraucher, volatile Einspeisung, Digitalisierung der Netzführung – all das verursacht erhebliche Kosten. Eine Netzentgeltstruktur, die Investitionssicherheit und wirtschaftliche Planbarkeit gewährleistet, ist unverzichtbar. Reformen sollten diesen Realitäten Rechnung tragen und langfristige Refinanzierungsperspektiven sicherstellen.
2. Beteiligung der Einspeiser – systemisch sinnvoll, aber differenziert umsetzen
Die aktuelle Diskussion über eine Beteiligung der Einspeiser an den Netzentgelten ist nachvollziehbar: Auch Erzeugungsanlagen verursachen Netzbedarf, insbesondere in Regionen mit hoher dezentraler Einspeisung und Redispatch-Bedarf. Eine Beteiligung kann helfen, systemdienliche Standortentscheidungen zu fördern.
Allerdings gilt:
- Eine pauschale Belastung von Einspeisern könnte die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Projekte gefährden.
- Die Einführung muss vorausschauend, rechtssicher und differenziert erfolgen – z. B. gestaffelt nach Spannungsebene, Einspeiseleistung oder Netzbelastung.
- Wichtig ist ein Gleichgewicht zwischen Kostenverantwortung und Investitionssicherheit.
Ein Einspeiseentgelt kann also sinnvoll sein – als steuerndes Instrument, nicht als pauschale Belastung.
3. Faire und nachhaltige Kostenverteilung
Die gegenwärtige Entgeltsystematik führt zu regionalen Verzerrungen. Insbesondere strukturschwache Regionen mit hohem Erzeugungsanteil tragen überproportionale Lasten – obwohl sie einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Eine bundesweit ausgewogenere Verteilung der Netzkosten ist daher geboten, um Akzeptanz und Investitionsbereitschaft nicht zu gefährden.
4. Digitalisierung als Bestandteil des Netzentgeltmodells berücksichtigen
Der Aufbau intelligenter Netze – mit automatisierter Steuerung, Echtzeitüberwachung und vorausschauender Netzführung – ist für die zukünftige Netzstabilität unerlässlich. Der regulatorische Rahmen muss diesen Technologiewandel aktiv unterstützen, etwa durch Berücksichtigung entsprechender Investitionen bei der Entgeltbildung oder durch gezielte Innovationsanreize.
5. Flexibilitätsanreize: Chancen nutzen, Grenzen anerkennen
Zeitvariable oder dynamische Netzentgelte bieten die Möglichkeit, Lastverschiebungen anzureizen und Engpässe zu vermeiden. Solche Modelle sind jedoch technisch und kommunikativ anspruchsvoll. Sie sollten deshalb schrittweise eingeführt, begleitet und mit realistischen Erwartungen ausgestattet werden. Die Balance zwischen Lenkungswirkung und Umsetzbarkeit ist dabei zentral.
Fazit
Die Netzentgeltreform ist ein zentrales Projekt der Energiewende. Sie muss unterschiedliche Zielkonflikte – Wirtschaftlichkeit, Gerechtigkeit, Lenkungswirkung und Systemstabilität – intelligent auflösen. Aus unserer Sicht als unabhängige Berater empfehlen wir eine Reform, die:
- Investitionssicherheit für Netzbetreiber gewährleistet,
- verursachungsgerechte Kostenverteilung zwischen Verbrauchern und Erzeugern schafft,
- digitale Innovationen fördert,
- und systemdienliches Verhalten durch gezielte Entgeltstrukturen unterstützt
Netzbetreiber leisten einen entscheidenden Beitrag zur Transformation des Energiesystems. Sie brauchen dafür einen regulatorischen Rahmen, der tragfähig, planbar und an den tatsächlichen Anforderungen ausgerichtet ist.